Einmal nach Afrika und zurück

 

Es war gegen Ende Mai, als mich Leu Fritz freundlicherweise nach Süd Frankreich zu meinem Boot brachte. Als erstes standen einige Arbeiten am Boot an. Der Unterwasseranstrich musste erneuert werden. Diese Farbe verhindert den Bewuchs des Rumpfes. Weiter wollte ich die Ankerwinsch durch eine stärkere ersetzen und wenn ich schon dabei bin, auch gleich eine stärkere Kette und einen schwereren Anker montieren. Die alte Winsch hatte in den letzten Jahren doch sehr gelitten und eine gut überdimensionierte Ankeranlage lässt den Skipper nachts auch besser schlafen.

Das Ganze wollte ich in einer Woche erledigen. Doch wie so oft brauchte ich drei Wochen, denn der gedacht einfache Austausch der Ankerwinde entpuppte sich als grössere Herausforderung. Da die neue Winsch einen grösseren Stromverbrauch hat, mussten die Kabel durch dickere ersetzt werden - und dies durch das ganze Schiff. Da die neuen Kabel für den bestehenden Kabelkanal zu dick waren, musste ich das halbe Boot zerlegen. Diese mühsame Arbeit hat schlussendlich ganze zwei Wochen gedauert.

Mitte Juni wars dann aber doch soweit: Das Boot wurde zu Wasser gelassen. Und dies, obwohl ich wusste, dass in zwei Tagen ein kräftiger Sturm nahte.  Am nächsten Morgen segelte ich der französischen Küste entlang nach Osten. Bei wenig Wind und in gemächlicher Fahrt kam ich am Abend in der Bucht von Bandol an. Diese Bucht ist ideal gegen die zu erwartenden Winde geschützt und der Grund der Bucht besteht komplett aus Sand und ist deshalb perfekt, um den neuen Anker zu testen. Ganze zwei Tage dauerte der Sturm. So hatte ich genügend Zeit, um das Schiff seetauglich zu machen. Das will heissen, das Schiff aufzuräumen. Da sich das Schiff beim Segeln heftig bewegen kann, müssen alle losen Gegenstände ordentlich weggeräumt werden. Ganz nach dem Motto „alles was rumfliegen kann, wird auch rumfliegen“.

Gut ausgeruht und mit dem Wissen, dass in den nächsten Tagen gutes Segelwetter herrschen wird, segelte ich zur Insel Pauqerolles.

Bereits am nächsten Morgen startete ich zur ersten grossen Überfahrt zur Südspitze von Korsika. Ein schöner Segeltag, gefolgt von einer ruhigen Nacht und schon war ich gegen Mittag in der Cubaia Bucht auf Korsika. Von hier aus motorte ich mangels Windes am Tag durch die Strasse von Bonifacio nach Sardinien. Genauer gesagt nach Porto Paddu. Dieser Ankerplatz wurde mir von einem Seglerkameraden wärmstens empfohlen und er behielt recht: Die gegen alle Windrichtungen geschützte Bucht war wunderschön. Leider war es so, dass dieser Geheimtipp alles andere als geheim war, weshalb ich gezwungen war, etwas weiter vom Ufer weg zu ankern. Dies bedeutete, dass ich auf 15 Meter Wassertiefe ankern musste. Ich schmiss 70 Meter Kette dem Anker nach und die neue Ankeranlage bewährte sich bestens.

Nach einer sehr ruhigen Nacht, in der das Boot so ruhig vor Anker lag, dass ich das Gefühl hatte, in einem Hafen zu liegen, segelte ich weiter der Küste Sardiniens entlang nach Süden, bis ich den Hafen von Caletta erreichte. Hier traf ich Franz und Helga, die mit ihrem Boot, die Fago, auf mich warteten. Ich lernte die beiden im Winterlager in Port St-Louis kennen. Da unsere Boote nahe beieinander auf dem Trockenplatz standen, war ein kennenlernen kaum zu vermeiden. Dort entstand auch der Plan, gemeinsam nach Afrika, genauer gesagt nach Tunesien, zu segeln.

Aber jetzt war erst mal etwas chillen angesagt, denn Caletta eignet sich super, um im nahen gelegenen Supermarkt einzukaufen und abends die kulinarischen Spezialitäten Sardiniens zu geniessen. Auch wenn es sich in Caletta super gut leben lässt, verliessen wir drei Tage später den Hafen, setzten die Segel und fuhren in Sichtweite voneinander weiter nach Süden. Erstes Tagesziel war die Bucht von Frailis, welche ich jetzt schon mehrmals besucht hatte.. Aufgrund meiner Vertrautheit mit der Ostküste Sardiniens, war es ein leichtes und schönes segeln, bis wir drei Tage später an der Südspitze Sardiniens in Villesimius eintrafen. Hier wollten wir uns 2 Tage lang ausruhen, um mit neuen Kräften die grosse Überfahrt nach Afrika in Angriff zu nehmen.

Auch wenn es nach altem Seemannsbrauch Unglück bringt an einem Freitag auszulaufen, lichteten Franz und ich am Morgen des 28. Juni die Anker und starteten die ganz grosse Fahrt nach Afrika. Die Wettervorhersage versprach gleichmässigen Wind von 15 Knoten. Eigentlich ideale Bedingungen für die 115 Seemeilen bis nach Bizerte/ Afrika. Und dennoch hatte ich ein wenig Bammel vor der Reise. Die Überfahrt stellte rein von der Distanz und dem Navigatorischen keine grosse Herausforderung dar. Das unangenehme an dieser Reise war, dass ich in die Nähe der Route von afrikanischen Bootsflüchtlinge geraten konnte. Selbstverständlich habe ich mich im Voraus etwas schlau gemacht, aber genaue und zuverlässige Aussagen waren sehr rar. Die wohl beste Angabe stammte von einem Seglerkollegen, der das Gebiet seit Jahren kennt. Er meinte, wenn ich die Insel Lampedusa grosszügig umfahre, gäbe es keine Probleme. Naja, wird schon schief gehen, dachte ich.

Schon kurz nach dem Auslaufen frischte der Wind auf und weil er auch noch von hinten kam, gab es kein Halten mehr. Also hoch mit den Segeln, Motor abstellen und los gings mit 6,5 Knoten Richtung Afrika.

Da das Segelschiff von Franz und Helga etwas grösser und somit auch mehr Segelfläche hatte, waren sie etwas schneller und wurden in der Ferne immer kleiner. Als nach einem herrlichen Segeltag die Sonne am Horizont unterging, war von Helga und Franz nichts mehr zu sehen. Kaum war die Sonne verschwunden, begann das Segeln in der Nacht. Eine Nachtfahrt unterscheidet sich komplett vom Segeln am Tag. Das offensichtlichste ist, dass es dunkel ist und man so die Wellen nicht mehr sieht und darum die Schiffsbewegungen auch nicht mehr richtig abschätzen kann. Aber das Überraschendste ist, dass die eigenen Sinne sich scheinbar verändern. Obwohl man an der Windanzeige erkennen kann, dass der Wind gleichgeblieben ist, hat man das Gefühl, dass er stärker geworden sei. Auch die Geräusche, welche ein segelndes Schiff nun mal macht, scheinen lauter und intensiver zu werden. Intensiver werden auch die Lichter von anderen Schiffen, die man schon auf grosse Distanz sieht. Dummerweise ist es aber unmöglich, die Distanzen genau zu schätzen. Aus diesem Grund schalte ich nachts immer den Radar ein. Darauf kann man die genauen Distanzen sehen.

So segelte ich immer noch mit guten 6 Knoten Fahrt durch die Nacht, ohne dass ich ein anderes Schiff oder dessen Lichter sah.

So gegen 1:00 Uhr war immer noch nichts los, worauf ich mich für eine halbe Stunde in den Saloon legte. Schlafen wird erstens durch die Bewegungen des Schiffs erschwert und zweitens hört man irgendwie immer mit einem Ohr auf die Geräusche. Erholen kann man sich zu Glück gleichwohl ein bisschen.

Als ich nach dem kleinen Power-nap nach Lichtern Ausschau hielt, war nichts zu sehen. Etwas zu sehen gab es dafür auf dem Kartenplotter. Ich erhöhte die Reichweite des Radars und sah unglaublich viele Schiffe, die wie auf einer Autobahn an der Nordküste Afrikas entlangfuhren. Mir war sofort klar, dass das bisschen Schlaf sowas von gestrichen war. Es war schwierig und nervenaufreibend, die Schifffahrtsautobahn zu durchqueren. Ich musste richtig im Slalom fahren, um sicher zwischen den grossen Pötten durchzufahren und mehrmals musste ich den Motor starten, um schnell genug zu sein. Pünktlich zum Sonnenaufgang hatte ich die Schifffahrtsstrasse durchquert und schon tauchte die Küste von Afrika auf. Unaufhaltsam näherte ich mich der Küste und dem Hafen von Bizerte. Etwa zwei Seemeilen vor dem Hafen holte ich die Segel ein und versuchte, über Funk den Hafen über mein Eintreffen zu informieren. Da keine Antwort kam, dachte ich, ich fahre mal in den Hafen und schaue, was dann passiert. Zum Glück wurde ich bereits vom Hafenmeister erwartet und er half mir auch beim Festmachen. Nun war ich also in Afrika angekommen und war gespannt, was mich hier alles erwarten würde.